Gedanken

BILDER
WIE WIR DAHIN KOMMEN; WO WIR SIND
Text: Ingeborg Knaipp modifiziert von P. Newrkla

Evolution ist die Basis unseres Lebens. Vom Chaos zu den Fraktalen, von abiotischer zu biologiswasserstrudel1cher Evolution. Das Leben entwickelte sich im Wasser und das Wasser ist weiterhin essenziell um das Leben zu erhalten. Lassen wir uns vom Wasserstrudel in seine Welt ziehen:


unmaskingEinmal entstanden, entwickelte sich das Leben von einfachen Formen zu immer höherer Komplexität. Diese Entwicklung hat ihren Preis: alles, was lebt, geht mit Sicherheit zugrunde. Nüchtern betrachtet kam mit der Vielzelligkeit der Tod in die Welt, mit dem Nervensystem der Schmerz, mit dem Bewusstsein die Angst. Nüchternheit ist wohl eine Methode, jene Angst aus dem Bewusstsein auszublenden, Nüchternheit konstatiert naturwissenschaftliche Befunde, die keinerlei Drohung enthalten. Doch bei aller Desillusionierung, die wir uns als intellektuelle Unbestechlichkeit hoch anrechnen, bleibt durch ein Rest von Furcht wach; Die Furcht, unter Menschen zu leben, die unter der Maske der Wissenschaft, der Heiterkeit oder der Rationalität ihr wahres Gesicht verbergen.

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Die Furcht, einer risse ihnen die Maske herunter und fände die tiefen Wunden, oder noch schlimmer das triumphale Grinsen eines Holzkopfes dahinter. Dann die Furcht, das Lebendige, verletzlich, dünnhäutig und zerbrechlich, wäre den Gefahren des Lebens nicht gewachsen und entginge es selbst den Verletzungen, wartete am Ende doch nur der Tod, der zuschanden werden lässt, was eben noch Hoffnung war. Die Angst, in einer erstarrten, verhärteten Welt sei keiner mehr der Kommunikation fähig oder zu ihr Willens. Die Angst, man habe es mit arktischer Kälte zu tun, mit einer Gleichgültigkeit, die endgültig und undurchdringlich sei, und die letzten Augen, die einen anblickten, wären die toter Fische.


die-zeit-verrinntDoch wir haben gelernt, den Anforderungen der Zeit freiwillig zu folgen, ehe wir dazu gezwungen werden. In vorauseilendem Gehorsam geben wir verloren, was wenige Avancierte noch für eine Chance halten. Die Wörter, heißt es, hätten ihre Kraft und Referenz zur Wirklichkeit verloren - und wir gehorchen und streichen mit den Zeichen die Begriffe. Doch die aktuelle, dekonstruierende Interpretation der Sprache liefert die Menschheit der Beliebigkeit aus; die radikale Befreiung der Menschen von ihrer hierarchischen Struktur, enthüllen die andere Seite des Januskopfes: Die Isolation des Subjektes.communitas


Die Zeitschrift "Kunstforum" veröffentlichte 1989 einen Essay des französischen Philosophen Jean Baudrillard, der die vollständige Emanzipation des Individuums emphatisch feierte: Die Befreiung der Frau, des Kindes, der Triebe, der Kunst habe bereits stattgefunden, alle Zeichen, alle Formen, alle Wünsche seien frei verfügbar. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage harrt allerdings noch der Überprüfung.


netzuege1Während in den Vereinigten Staaten angesichts der sozialen Missstände und der Bedrohung durch Aids oder Terrorismus die Faszination dieser These bereits zu verblassen beginnt, erfreuen sich in Europa akademische Zirkel immer noch an ihrer Verheißung. Die Befreiung des modernen Menschen vergrößert das Repertoire an Verhalten und möglicher Urteilsfindung über sich, die Umwelt und Gott. Bezahlt wird diese Erweiterung mit dem Verlust unverzichtbarer materieller und emotionaler Lebensgrundlagen, wenn es uns nicht gelingt, als Bedingung für vermehrte Freiheit auch vermehrte Verantwortung einzufordern.

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Denn unsere Spiele bleiben nicht folgenlos, es gibt keine Verwechslung von virtuellen Simulationen mit der Realität, obwohl Medientheoretiker uns dies glauben machen wollen.


Wir meinen, die Natur mit ihren Gesetzen sei in unsere Hand gegeben und stünde zur allgemeinen Disposition. Unser rationaler Apparat, ein Produkt dieser Naturgesetze, beginnt auf seine Ursachen zurück zu wirken und gibt sich dem falschen Glauben hin, die Verwüstungen, die verheerenden Beschädigungen der ausgebeuteten Natur aus eigener Kraft wieder wettmachen zu können.


unterwegsDie Evolution lehrt etwas anderes und aus ihren Gesetzmäßigkeiten lässt sich folgern, dass sie auch uns keine Abweichung gestatten wird. Freiheit und Ihr Antagonist, der Sinn, werden sich nur im Rahmen der vorgegebenen Möglichkeiten und innerhalb der von uns geschaffenen Systeme entwickeln: "Wir gaben sie uns, (die Systeme), und müssen sie auch in aller Zukunft selber geben. Aussicht auf Erfolg wird aber unsere Fortbildung nur mehr innerhalb der festgelegten Determinanten des reinen Menschentums haben in den schöpferischen Freiheiten der gezielten Fortbildung eines Milieus, eines Geistes, einer Gesellschaft und einer Kultur des Humanen".